Marianischer Pilgerweg am Samstag, dem 7. Mai 2022

Sechzehn Frauen machten sich auf: Sie starteten an der Marienstele Kleiner Markt in der Innenstadt Heppenheim und pilgerten nach Hambach zur Wallfahrtskirche St. Michael. Das Wetter bescherte ihnen einen Tag in marianischen Farben: die Sonne strahlte golden und der Himmel war marianisch blau.

In diesem Jahr war der Pilgerweg auch thematisch auf Maria ausgerichtet. Und wie Maria ließen sich die Frauen bewegen – äußerlich und innerlich. 4,5 km ging ihre Wanderung an Heppenheim vorbei, zunächst als Höhenweg und dann talwärts nach Hambach.

Die Pilgerinnen ließen sich ansprechen von Mariendarstellungen auf ihrem Weg und verweilten an Orten, die an biblische Geschichten mit Maria erinnerten. Sich mit dem Verstand und dem Herzen ansprechen lassen, bedeutet nach-sinnen und nach-denken, dann aber auch nach-fragen und Dinge hinter-fragen. So entdeckte die Pilgergruppe offene und versteckte Aussageabsichten beim Betrachten und Deuten der verschiedenen Mariendarstellungen an Hauswänden oder Schutzhäuschen auf freier Flur. Tiefgründige, biblisch-fundierte Glaubensaussagen, die eine lange Tradition der Marienverehrung hervorgebracht haben, wurden genauso benannt und ausgetauscht wie verkürzte und einseitige Vorstellungen aufgezeigt.

Und immer wieder gab es eine Verbindung von Marienbildern zu klassischen Frauenbildern; die, als Rollenklischees entlarvt, von den Frauen verändert wurden. Maria sollte nicht einfach auf „modern“ getrimmt werden; jedoch entdeckten die Pilgerinnen im lebhaften Gespräch vernachlässigte Facetten ihres Bildes neu.

So konnten sie Maria wahrnehmen als ihre Schwester im Glauben, vertraut mit den Freuden und Sorgen heutiger Frauen:

Maria als Partnerin auf Augenhöhe, als Familienmutter, die Entscheidungen trifft, als Erzieherin, die zwischen Behütung und Loslassen abwägen muss und -wie bei der Hochzeit zu Kana- Vertrauen weckt, um nur einige Facetten zu nennen.

„Ich sehe dich in tausend Bildern!“, – was Novalis vor mehr als 250 Jahren dichtete, wurde bei dem Pilgergang Wirklichkeit.

Marienbilder, die das Leben heutiger Frauen berühren und nicht weniger wahr sind als traditionelle Anrufungen der Mutter Jesu, wurden von den Teilnehmerinnen zusammengetragen und gebetet als Weiterführung der bekannten Lauretanischen Litanei. 

Sie lasen auch das Magnificat neu als Marias geistgewirkte prophetische Rede. Für Ernesto Cardenal und seine lateinamerikanischen Bauern ist es zur Verheißung und Ermutigung geworden. Es bleibt Ansporn auch heute, etwa für Frauengruppen aus Burkina-Faso, die einerseits den guten Traditionen ihrer Heimat verbunden sind und sich zugleich für gerechte Lebensbedingungen von Frauen einsetzen. In Verbundenheit mit ihnen wurden bei dem Abschlussgottesdienst in der Kirche St. Michael gewebte Bänder aus Burkina-Faso aneinandergeknüpft als Zeichen gelebter Frauensolidarität, aber auch als Selbstverpflichtung, weiter an Bildern zu spinnen und zu knüpfen, die Maria aus einer Überhöhung herunterholen und neben die Frauen stellen – als Gefährtin mitten in ihr Leben hinein.

Beim frohen Ausklang und einem leckeren Imbiss (an dieser Stelle noch einmal Dank an die Organisatorin!) wurde die Idee zum Weiterschreiben der Marienbilder konkret: Im zweiten Halbjahr soll ein Besinnungsnachmittag folgen.

 

Hildegard Sickinger, 14. Mai 2022