Adventskalender 2022 – Tür 9

FEDERLEICHT

Diese Momente, in denen ich mich federleicht fühle: Plötzlich, ganz unvermittelt, ganz ungeplant, haben meine Gedanken, meine Sorgen, die Fragen und Bedenken kein Gewicht mehr. Unvermittelt fühle ich mich frei, weit und leicht, kann durchatmen, bin ganz im hier und jetzt.

Die Erde ist plötzlich angefüllt mit Himmel. Ich überlasse mich, lasse los, bin ganz da.                                                   

Ich komme ins Staunen und schaue die Welt neu. Ich entdecke sie in den strahlenden Augen eines Kindes, im heiteren Lachen der Freundin, im Schluck klaren, kalten Wassers, in der Süße der ersten Erdbeere, dem knisternden Kaminfeuer.

Diese Momente, in denen ich mich getragen fühle: Plötzlich, ganz unvermittelt, fühle ich mich gehalten. Das Muster meines Lebens bekommt einen Sinn, Gottes Federführung wird sichtbar.

Ich bin angenommen mit allem, was mich ausmacht. Ich bin in mir, bin in Gott angekommen mit allen Narben und Brüchen, mit allen Höhen und Tiefen, mit dem was mich strahlen und mit dem was mich erstarren lässt. Ich bin versöhnt und mit dem im Reinen, was mich so lange belastet hat. Ich lege es in Gottes Hand und es wandelt sich. Ich suche nach Worten und finde mich wieder in den alten Geschichten und Gebeten, dem Lob und der Klage der Psalmen, den Gottesbegegnungen der Bibel und füge betend meine Lebensnuancen hinzu.

Diese Momente, in denen ich mich hin – und hergeworfen fühle in den Stürmen des Lebens, in denen mir alles entgleitet. Plötzlich, ganz unvermittelt muss ich in Demut annehmen: Ich habe es nicht in der Hand, mein Einfluss ist gering, meine Kräfte zu schwach. Hilflos bin ich ausgeliefert. Der Erkrankung, dem Verlust eines geliebten Menschen, der sinnlosen Gewalt und Zerstörung, den Brüchen meines Lebens. Meine Kraft und das, was mir Halt gab, ist mir entglitten.

Hildegard von Bingen hat das Lebensgefühl dieser Momente ins Wort gebracht:

„Eine Feder im Windhauch Gottes möchte ich sein, von Gottes Geist getragen und geführt“

In diesen Momenten bekomme ich Aufwind, werde durchlässig, offen und verfügbar für Gottes Willen. Ich überlasse mich dieser Dynamik Gottes, plötzlich, ganz unvermittelt.

Federleicht. Lichtdurchlässig. Getragen in dunklen Zeiten.